BCMS-Modul
Das Business Continuity Management System (BCMS) ist ein essenzieller Baustein zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität in Krisensituationen. Es hilft Organisationen, ihre geschäftskritischen Prozesse auch bei Störungen, Ausfällen oder Katastrophen aufrechtzuerhalten. Die fuentis Suite bietet ein umfassendes BCMS-Modul, das Sie Schritt für Schritt durch die Implementierung eines normkonformen Business Continuity Managements führt.
Kernziele des BCMS:
- Identifikation zeitkritischer Geschäftsprozesse
- Systematische Analyse von Schadenspotentialen und Ausfallzeiten
- Entwicklung von Notfallplänen und Wiederanlaufstrategien
- Ressourcenplanung für den Notbetrieb
- Kontinuierliche Verbesserung der Krisenresilienz
Hauptkonzepte und Anforderungen
1. BCM-Initiierung - Das Fundament legen
Die BCM-Initiierung muss von der Institutionsleitung initiiert werden, da die zu treffenden Entscheidungen weitreichende Konsequenzen haben. Alle wesentlichen Phasen werden in der fuentis Suite dokumentiert:
1.1 Geltungsbereich (Scope) definieren
Was ist der Geltungsbereich?
Der Geltungsbereich legt fest, welcher Bereich der Institution durch das BCMS abgesichert werden soll. Dies kann umfassen:
- Die gesamte Institution
- Einzelne Standorte oder Teilbereiche
- Spezifische Produkte oder Services
- Gemeinsame Geschäftsprozesse oder Produktionsstraßen
Praxis-Tipp: Der Geltungsbereich umfasst alle infrastrukturellen, organisatorischen, personellen und technischen Komponenten, die der Aufgabenerfüllung dienen. Berücksichtigen Sie dabei regulatorische Anforderungen und Institutionsziele.

1.2 Konzeption - Strategische Ausrichtung
Die Konzeptionsphase umfasst:
Zielsetzung:
- Individuelle Ziele aus Geschäftsprozessen ableiten
- Gesetzliche Rahmenbedingungen berücksichtigen
- Institutionsziele einbeziehen
- Transparente Kommunikation innerhalb der Organisation
Entscheidung zur Vorgehensweise - Wahl der BCMS-Stufe:
- Reaktiv-BCMS: Minimale Vorbereitung, Reaktion im Ernstfall
- Standard-BCMS: Vollständige Implementierung nach Norm (z.B. ISO 22301)

1.3 Rollen und Verantwortlichkeiten
Wichtige Rollen im BCMS:
Business Continuity Officer (BC-Beauftragter):
- Hauptverantwortlich für Aufbau und Umsetzung des BCMS
- Unterstützt die Institutionsleitung
- Koordiniert alle BCM-Aktivitäten
Weitere Rollen:
- Krisenmanager
- Prozessverantwortliche
- Mitglieder der Besonderen Aufbauorganisation (BAO)
- Notfallteam-Mitglieder
Praxis-Tipp: Kennzeichnen Sie Pflicht-Rollen und BAO-Zugehörigkeiten bereits bei der Rollenerstellung. Dies erleichtert später die Zuordnung und Dokumentation.

1.4 Ressourcenkategorien
Grundlegende Ressourcen:
Bestimmte Ressourcen sind für den gesamten Geschäftsbetrieb essentiell:
- Strom und Notstromversorgung
- Wasserversorgung
- Klimatechnik/Belüftung
- IT-Infrastruktur
- Telekommunikation
Recovery Point Objective (RPO):
Definiert den maximal tolerierbaren Datenverlust. Kennzeichnen Sie Ressourcenkategorien mit RPO-Anforderungen entsprechend.

1.5 Dokumenttypen und Schlüsseldokumente
Dokumentkategorien:
- Notfallpläne
- Wiederanlaufpläne
- Kommunikationspläne
- Ressourcenlisten
- Kontaktlisten
Praxis-Tipp: Markieren Sie verpflichtende Dokumenttypen und verknüpfen Sie hochgeladene Dokumente direkt mit den entsprechenden Kategorien.


2. Geschäftsprozesse - Das Herzstück des BCMS
2.1 Prozessidentifikation und -zuordnung
Geschäftsprozesse bilden die Grundlage für die Business Impact Analyse (BIA). Sie müssen:
- Im Asset-Management erstellt werden
- Dem BCMS-Geltungsbereich zugeordnet werden
- Mit anderen Prozessen verknüpft werden (Abhängigkeiten)
- Mit relevanten Assets verbunden werden
2.2 Prozessverknüpfung
Beziehungsarten zwischen Prozessen:
- Vorgelagert: Prozess A muss vor Prozess B ablaufen
- Nachgelagert: Prozess B folgt auf Prozess A
- Parallel: Prozesse laufen gleichzeitig
- Abhängig: Prozess B benötigt Output von Prozess A
Wichtig: Im BCMS werden nur Verknüpfungen zwischen Geschäftsprozessen angezeigt, aber die vollständige Verknüpfung mit Assets ist für eine umfassende Analyse wichtig.

3. Analyse-Parameter - Bewertungsgrundlagen schaffen
3.1 Zeithorizonte
Standard-Zeithorizonte für die Bewertung:
- Sofort (0-4 Stunden)
- Kurzfristig (4-24 Stunden)
- Mittelfristig (1-7 Tage)
- Langfristig (> 7 Tage)
Format für individuelle Zeithorizonte:
- w = Wochen
- d/t = Tage
- h/s = Stunden
- m = Minuten
Beispiel: 2w 3d 4h 30m = 2 Wochen, 3 Tage, 4 Stunden, 30 Minuten

3.2 Schadensszenarien
BSI-Standard-Schadensszenarien:
- Beeinträchtigung der persönlichen Unversehrtheit
- Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung
- Verstoß gegen Gesetze, Vorschriften und Verträge
- Negative Innen- und Außenwirkung (Imageschaden)
- Finanzielle Auswirkungen

3.3 Schadenskategorien
Standard-Schadenskategorien nach BSI:
| Kategorie | Beschreibung | Auswirkungen |
|---|---|---|
| Gering | Minimale, kaum spürbare Auswirkungen | Unwesentliche Beeinträchtigung, keine Konsequenzen |
| Mittel | Spürbare Auswirkungen | Arbeitsrückstände, tolerabler finanzieller Schaden |
| Hoch | Nicht tolerierbare Auswirkungen | Massive Einschränkungen, erhebliche Konsequenzen |
| Sehr hoch | Existentiell bedrohliche Auswirkungen | Gefahr für Leib und Leben, existenzbedrohende Schäden |
Definiert die Schwelle, ab der ein Schaden nicht mehr akzeptabel ist. Dies bestimmt die maximal tolerierbare Ausfallzeit (MTA/MTPD).

4. Business Impact Analyse (BIA) - Kritikalität bewerten
4.1 BIA-Profil und Schadenspotential
Ziele der BIA:
- Identifikation zeitkritischer Geschäftsprozesse
- Bestimmung der Ausfallauswirkungen
- Ableitung von Wiederanlaufanforderungen
- Ressourcenbedarfsermittlung für Notbetrieb
Schadenspotential-Bewertung:
Für jeden Zeithorizont wird das Schadenspotential in den definierten Kategorien bewertet. Die Bewertung erfolgt grafisch durch Positionierung auf der Schadenskategorie-Skala.


4.2 Kritische Kennzahlen
Maximum Tolerable Period of Disruption (MTPD/MTA):
- Maximal tolerierbare Ausfallzeit eines Geschäftsprozesses
- Wird automatisch berechnet basierend auf Schadenspotential und Untragbarkeitsniveau
Recovery Time Objective (RTO):
- Ziel-Wiederanlaufzeit nach einem Ausfall
- Muss kleiner als MTPD sein
- Basis für Notfallplanung
Recovery Point Objective (RPO):
- Maximal akzeptabler Datenverlust
- Bestimmt Backup-Strategien
- Relevant für IT-gestützte Prozesse

4.3 Abhängigkeiten und Ressourcen
Prozessabhängigkeiten analysieren:
- Interne Abhängigkeiten (andere Prozesse)
- Externe Abhängigkeiten (Lieferanten, Dienstleister)
- Technische Abhängigkeiten (IT-Systeme, Infrastruktur)
- Personelle Abhängigkeiten (Schlüsselpersonen, Spezialwissen)
Ressourcenbedarf ermitteln:
- Mindestpersonal für Notbetrieb
- Kritische IT-Systeme und Anwendungen
- Arbeitsplätze und Räumlichkeiten
- Kommunikationsmittel
- Spezielle Ausrüstung oder Material

Umsetzungshilfen und Best Practices
Praktische Tipps für die Implementierung
Schritt-für-Schritt-Vorgehen:
- Vorbereitung:
- BC-Beauftragten benennen
- Projektteam zusammenstellen
- Initiierung:
- BCMS-Stufe festlegen
- Rollen und Verantwortlichkeiten klären
- Analyse:
- BIA durchführen
- Kritikalitäten bewerten
- Strategieentwicklung:
- Wiederanlaufpläne erstellen
- Ressourcen planen
- Implementierung:
- Schulungen durchführen
- Tests und Übungen planen
Integration mit ISO-Standards
ISO 22301 - Business Continuity Management:
Das BCMS-Modul der fuentis Suite orientiert sich an den Anforderungen der ISO 22301:
- Plan-Do-Check-Act (PDCA) Zyklus
- Risikoorientierter Ansatz
- Kontinuierliche Verbesserung
- Dokumentierte Information
BSI-Standard 200-4:
Die Implementierung folgt den Empfehlungen des BSI für Business Continuity Management:
- Stufenmodell (Reaktiv, Aufbau, Standard)
- Standardisierte Schadenskategorien
- Strukturierte Vorgehensweise
So unterstützt die fuentis Suite
Automatisierung und Vereinfachung:
- Automatische Berechnung von MTPD und RTO
- Grafische Darstellung von Schadenspotentialen
- Verknüpfung mit Asset-Management
- Integrierte Dokumentenverwaltung
Compliance und Audit:
- Normkonforme Dokumentation
- Nachvollziehbare Prozesse
- Audit-Trail für alle Änderungen
- Zertifizierungsvorbereitung
Häufige Herausforderungen und Lösungen
Herausforderung: Unvollständige Prozesslandschaft
- Lösung: Schrittweise Erfassung, beginnend mit kritischen Prozessen
- Praxis-Tipp: Workshop-basierte Prozessidentifikation mit Fachabteilungen
Herausforderung: Unrealistische Wiederanlaufzeiten
- Lösung: Realistische Tests und Übungen durchführen
- Praxis-Tipp: Mit konservativen Schätzungen beginnen und optimieren
Herausforderung: Fehlende Ressourcen für Notbetrieb
- Lösung: Priorisierung und Minimalbetrieb definieren
- Praxis-Tipp: Ausweichstrategien und externe Ressourcen einplanen
Kernaussagen auf einen Blick
- BCMS ist Chefsache: Die Initiierung und Verantwortung für ein BCMS liegt bei der Institutionsleitung, wobei ein BC-Beauftragter die operative Umsetzung koordiniert.
- Strukturiertes Vorgehen: Der Aufbau erfolgt in klar definierten Phasen - von der Initiierung über die BIA bis zur Strategieentwicklung und Implementierung.
- Kritikalität im Fokus: Die Business Impact Analyse identifiziert zeitkritische Prozesse und bestimmt maximal tolerierbare Ausfallzeiten als Basis für die Notfallplanung.
- Integration ist entscheidend: Das BCMS ist keine isolierte Disziplin, sondern eng mit Asset-Management, Risikomanagement und ISMS verzahnt.
- Kontinuität als Prozess: Business Continuity Management ist ein fortlaufender Prozess mit regelmäßigen Tests, Übungen und Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen.
Weiterführende Informationen
Glossar wichtiger Begriffe:
- BAO: Besondere Aufbauorganisation - Krisenorganisation im Notfall
- BIA: Business Impact Analyse - Bewertung der Ausfallauswirkungen
- MTPD/MTA: Maximum Tolerable Period of Disruption / Maximal tolerierbare Ausfallzeit
- RPO: Recovery Point Objective - Maximal akzeptabler Datenverlust
- RTO: Recovery Time Objective - Ziel-Wiederanlaufzeit