OT-Sicherheitsstandards – Grundlagen, Anforderungen und praktische Umsetzung
Operational Technology (OT) steuert und überwacht physische Prozesse – von Wasserpumpen über Produktionsanlagen bis zu Verkehrssystemen. Durch die zunehmende Vernetzung mit IT-Systemen steigt die Angriffsfläche: Ransomware, Insider-Threats und Cyber-Spionage sind auch in OT ein reales Risiko.
OT-Standards wie ISO/IEC 27001, ISA/IEC 62443, NIST SP 800-82 und NERC CIP helfen Unternehmen, diese Risiken zu beherrschen und die Sicherheit von industriellen Steuerungs- und Automationssystemen systematisch zu stärken.
Kernkonzepte und Anforderungen der wichtigsten OT-Standards
ISO/IEC 27001 (ISMS)
Überblick: Weltweit anerkannter Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme; kann auf IT- und OT-Umgebungen angewendet werden.
Zentrale Anforderungen:
- Systematische Risikoanalyse für alle Assets
- Definition klarer Sicherheitsziele und -richtlinien
- Implementierung von Kontrollen basierend auf Risikobewertung
- Umfassende Dokumentation aller Prozesse
- Regelmäßige interne und externe Audits
- Kontinuierliche Verbesserung des Managementsystems
Nutzen: Durch Zertifizierung wird Vertrauen bei Kunden und Partnern gestärkt und Compliance-Aufwand reduziert.
ISA/IEC 62443 (Industrielle Automatisierung und Steuerung)
Zielsetzung: Spezifischer Schutz von Industrial Automation and Control Systems (IACS) und anderen OT-Systemen.
Kernkonzept - Layered Defense: Anlagen werden in Sicherheitszonen segmentiert; Verbindungen zwischen Zonen laufen über überwachte "Conduits".
Die vier Hauptteile:
- General: Begriffe und Konzepte
- Policies und Procedures: Programmstruktur, Patch-Management und operative Umsetzung
- System: Assessment-Methoden, Security-Levels und technische Grundlagen
- Component: Sicherheitsanforderungen für einzelne Geräte und Software
Wichtige Dokumente:
- 62443-1-1: Terminologie und Konzepte
- 62443-2-4: Security-Programm für Service-Provider
- 62443-3-2: Risikobewertung und Systempartitionierung
- 62443-3-3: System-Security-Requirements
- 62443-4-1/4-2: Secure Development und Komponenten-Sicherheit
Praktische Anwendung:
- OT-spezifische Risikoanalysen durchführen
- IACS-Security-Teams einrichten
- Konsequentes Patch- und Konfigurationsmanagement
- Security in Produkt-Lebenszyklen einbetten
NIST SP 800-82 (Guide to OT Security)
Fokus: Praxisorientierte Leitlinien zur Sicherung von OT-Systemen unter Berücksichtigung besonderer Leistungs-, Zuverlässigkeits- und Sicherheitsanforderungen.
Abgedeckte Systeme: Umfasst eine große Bandbreite programmierbarer Systeme, die direkt mit der physischen Umwelt interagieren:
- Industriesteuerungen
- Gebäudeautomations-Systeme
- Transportsysteme
- Kritische Infrastrukturen
Inhalte: Die Publikation beschreibt typische Bedrohungen und Schwachstellen und empfiehlt geeignete Gegenmaßnahmen für verschiedene OT-Umgebungen.
NERC CIP (Critical Infrastructure Protection)
Anwendungsbereich: Verbindliche Sicherheitsstandards für Unternehmen, die Teile des nordamerikanischen Stromnetzes betreiben.
Ziele: Sicherung des Bulk Electric System (BES) vor physischen und cyberbezogenen Bedrohungen. Verstöße führen zu Geldstrafen und Reputationsschäden.
Ausgewählte Standards:
- CIP-002: Asset Identification und Kategorisierung (High, Medium, Low Impact)
- CIP-003: Security Management Controls (Richtlinien, Risikobewertungen, Rollen)
- CIP-005: Electronic Security Perimeter (Schutz kritischer Assets)
- CIP-007: System Security Management (Patch-Management, Port-/Service-Management, Malware-Prävention)
- CIP-008 bis CIP-013: Incident Response, Recovery, Change Management und Supply-Chain-Security
Weitere branchen- oder domänenspezifische Standards
- ISO/IEC 80001: Risikomanagement für IT-Netzwerke mit medizinischen Geräten (Gesundheitswesen)
- IEC 63154: Spezielle Anforderungen für maritime Systeme (Schifffahrt)
- IEC 62645/62859: Anforderungen für Nuklearanlagen
- NIST Cybersecurity Framework: Fünf Funktionen (Identify, Protect, Detect, Respond, Recover) – flexibel auch in OT anwendbar
Umsetzungshilfen und Best Practices
Risikobasierter Ansatz
Systematische Risikobewertung:
- Assets erfassen und kategorisieren
- Bedrohungen und Schwachstellen identifizieren
- Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung bewerten
- Risiken priorisieren und behandeln
Sicherheitszonen und -conduits:
- OT-Netze segmentieren
- Angriffe isolieren können
- Überwachte Verbindungen zwischen Zonen
Security-Levels definieren:
- Für jede Zone geeignete Kontrollen festlegen
- Orientierung an IEC 62443-3-3
- Gradueller Schutz je nach Kritikalität
Governance und Organisation
Management-Engagement:
- Führungskräfte müssen OT-Security als Unternehmensziel verankern
- Ausreichende Ressourcen bereitstellen
- Regelmäßige Reviews und Entscheidungen
Rollen und Verantwortlichkeiten:
- OT-Security-Beauftragte benennen
- Cross-funktionale Teams etablieren
- Verbindung von Engineering, IT und Produktion sicherstellen
Praxis-Tipp: Definieren Sie klare Policies für Patch-Management, Zugriffskontrolle und Incident Response basierend auf Standards wie CIP-003 und CIP-008.
Technische Maßnahmen
Netzsegmentierung und Zugriffskontrollen:
- Netzwerkzonen definieren
- Firewalls und Zugriffsregeln einsetzen
- Multi-Factor-Authentication implementieren
- Prinzip der minimalen Berechtigung
Patch- und Konfigurationsmanagement:
- Regelmäßige Updates für Steuerungsgeräte und SCADA-Systeme
- Dokumentierte Änderungskontrollen (CIP-007, CIP-010)
- Test-Umgebungen für kritische Updates
Monitoring und Incident Response:
- Kontinuierliche Überwachung aller OT-Systeme
- Log-Analyse und Anomalieerkennung
- Schnelle Reaktion auf Sicherheitsvorfälle
- Regelmäßige Tests des Incident-Response-Plans
Mitarbeiter und Kultur
Awareness und Schulung:
- OT-spezifische Sicherheitstrainings
- Sensibilisierungskampagnen
- Regelmäßige Auffrischungen
Kontinuierliche Verbesserung:
- Regelmäßige Reviews der Sicherheitsmaßnahmen
- Lessons Learned aus Vorfällen
- Anpassung an aktuelle Bedrohungen
Unterstützung durch die fuentis Suite
Die fuentis Suite unterstützt OT-Sicherheitsprogramme umfassend:
Risikomanagement-Modul:
- Strukturierte Erfassung von Assets (auch OT-Geräten)
- Bewertung von Bedrohungen und Schwachstellen
- Automatisierte Risikoregister
Compliance-Management:
- Mapping von IEC 62443-Kontrollen
- NIST-Empfehlungen und CIP-Anforderungen
- Gap-Analysen und SoA-Generator
Asset-Management:
- Zentrales Verzeichnis aller OT-Assets
- Verantwortlichkeiten und Verknüpfung zu Risiken
- Integration mit Kontrollen
Audit- und Review-Module: (Auf Roadmap)
- Planung interner Audits
- Nachverfolgung von Korrekturmaßnahmen
- Unterstützung bei NERC-CIP- oder IEC-Zertifizierungen
Dokumentenmanagement: (Auf Roadmap)
- Verwaltung von Policies und Prozessbeschreibungen
- Versionierung und Genehmigungs-Workflows
- Zentrale Nachweisführung
Kernaussagen auf einen Blick
- Branchenübergreifende Standards: ISO/IEC 27001, ISA/IEC 62443, NIST SP 800-82 und NERC CIP decken unterschiedliche Aspekte der OT-Security ab – vom Managementsystem über technische Kontrollen bis zur Energieversorgung.
- Layered Defense ist zentral: IEC 62443 empfiehlt segmentierte Zonen und überwachte Conduits, um Angriffe einzudämmen.
- Risikobasierter Ansatz: Alle Standards fordern eine systematische Risikoanalyse und die Priorisierung kritischer Assets.
- Regulatorische Pflichten: NERC CIP ist in Nordamerika verpflichtend und dient zunehmend als Vorlage für globale OT-Regelwerke.
- Tool-Unterstützung: Software wie die fuentis Suite erleichtert Risikomanagement, Compliance-Mapping und Audit-Vorbereitung, was den Implementierungsaufwand spürbar reduziert.